Liebe Leser,
Liebe Kollegen,
ich hoffe ihr verzeiht es mir, wenn ich im Rahmen dieser Kolumne trotz meiner Höflichkeit auf das Gendern verzichte und auf das „Du“ zurückgreife.
Ich bin die Neue.
Auch wenn ich ungern in die Fußstapfen anderer Menschen trete, da ich stets meinen eigenen Weg gehen möchte, in diese Fußabdrücke trete ich liebend gerne!
Lieber Walter Kandut, ich darf mich im Namen der gesamten Branche für deine und Elisabeths unermüdliche Leistung bedanken. Ihr habt stets durch Fachwissen, Höflichkeit, Pünktlichkeit und vollsten Einsatz geglänzt, sämtliche Häuser in ganz Österreich haben euch mit Freude die Türen geöffnet, auch solche in denen kaum ein anderer Zutritt erhält.
Seid stolz auf das, was ihr geleistet und erschaffen habt. Ihr seid für viele Begleiter, Freund und Vorbild und habt unsere Branche wie kaum jemand bereichert und vorangebracht.
Vielen Dank für eure grandiose Leistung, ich hoffe dir, lieber Walter, im Rahmen dieser Kolumne auch nur annähernd gerecht zu werden!
Ich wurde in diese Branche hineingeboren, spielte als Kleinkind in der Tischlerei meines Großvaters, wuchs im Geschäft meiner Eltern und auf Möbelmessen auf.
Ich habe als Krankenhausplanerin im AKH gearbeitet, die Strategie- und Implementierungsabteilung, das Kundenzufriedenheitsmanagement und Digitalisierungsprojekte im Konzern geleitet, an die 150 Bauprojekte in zwei bis dreistelliger Millionenhöhe geprüft und zur Freigabe empfohlen und mein eigenes, Möbel produzierendes Unternehmen gegründet.
Für mich ist diese Branche ein Teil meiner Familie und doch habe ich auch den Blick in andere Fachrichtungen erhalten dürfen. All diese Erfahrungen bilden den Boden, auf welchem meine Artikel zukünftig fußen werden.
Werde ich in dieser Kolumne polarisieren?
Ja, auf jeden Fall. So wie meinem Vorgänger, ist es auch mir ein großes Anliegen Themen anzusprechen, vor denen so manche Augen verschlossen sind. Ich möchte Gesprächsfelder aufzeigen, Diskussionen anregen und bestenfalls den Grundstein für die ein oder andere Tat legen, die die Möbelbranche voranbringt.
Blicke ich mich in unserem Markt um, so ist ein Lichtblick am Ende des Tunnels erkennbar. Es scheint, als hätten wir das Tief des letzten Jahres überwunden und wären langsam wieder im Auftrieb. Doch ich frage mich ob es diese Talfahrt in diesem Umfang hätte geben müssen?
Dass die Auftragseingänge massiv eingebrochen sind, steht außer Frage, doch habt ihr die frei gewordene Zeit aktiv genutzt? Habt ihr euch mit möglichen Weiterentwicklungen, neuen Technologien, Marketingalternativen oder KI auseinandergesetzt? Habt ihr euch mit anderen Kollegen zusammengeschlossen, um an der Zukunftsausrichtung eurer Unternehmen zu feilen, neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln oder ihnen anvertraut, falls ihr wirtschaftlich zu kämpfen hattet?
Ich schätze, dass 90% mit nein antworten werden.
Keiner wusste was das richtige strategische Handeln während des Booms in der Covid-19 Periode sein würde. Viele haben sich ein großes Lager an Geräten angelegt, um Lieferzeiten einhalten zu können, Mitarbeiter aufgenommen, um das hohe Pensum abarbeiten zu können und Flächen angemietet, um die Waren unterzubringen. Viele nun teils veraltete Geräte stehen nach wie vor in den Lagern, viele Mitarbeiter sind bei der derzeitigen Auftragslage überflüssig und viele Lager- und Geschäftsflächen stehen leer. Die Unternehmen mit Zahlungsschwierigkeiten häufen sich, die Insolvenzzahlen steigen rasant.
Doch ist das alles notwendig? Ist dies nicht zu verhindern?
Wieso fördern wir nicht den aktiven Austausch und entwickeln eine Plattform, in der Hilfestellung möglich ist? Wieso gestehen wir uns als Unternehmer nicht offen ein, in einer schwierigen Zeit nicht den perfekten Weg gefunden zu haben und ersuchen andere um Unterstützung?
Salopp gesagt: ihr bittet doch auch eure Ehepartner für Essen zu sorgen, wenn ihr abends spät nachhause kommt, es selbst zeitlich nicht schafft und Hunger habt?
Wieso ist es im beruflichen Kontext peinlich zuzugeben, dass man etwas gerade nicht schafft?
Du hast ein Projekt verloren und für die nächsten 3 Monate keine Auslastung für 2 Mitarbeiter, die jedoch auf ihren Lohn warten? Perfekt, vielleicht hat jemand unvorhergesehene Schwierigkeiten auf einer Baustelle und weiß nicht, wie er sie mit der vorhandenen Manpower rechtzeitig abschließen kann. Leih ihm die Arbeitskraft doch in diesem Zeitraum.
Du hast zu viele Geräte auf Lager? Perfekt, ein anderer Kollege braucht für einen Bauträger eine große Anzahl an Kühlschränken, verkaufst du sie ihm günstiger ab? Dann hast du eine Sorge weniger, kannst gegebenenfalls Lagerflächen wieder zurückgeben, besser wirtschaften und unser Kollege kann seinem Kunden einen besseren Preis bieten und sich womöglich den Auftrag sichern.
Deine Werkstatt ist nicht ausgelastet? Spitze, kann ich vorbeikommen? Ich möchte an einer Produktentwicklung feilen, bei der du mir helfen könntest, genau deine Kenntnisse und Maschinen fehlen mir!
Wir sind eine kleine, sehr familiäre Branche und doch reden wir nicht ehrlich miteinander. Wir helfen einander nicht, wenn es doch so dringend notwendig wäre.
Wieso gibt es auf einer Möbelmesse oder innerhalb einer anderen geeigneten Möglichkeit keine Fachveranstaltung, an der Menschen eingeladen werden, die gescheitert oder vom Kurs abgekommen sind? Wieso hören wir uns nicht die Gründe an, wieso unsere Kollegen in Konkurs gegangen sind, wieso geben wir den Gescheiterten keine Stimme?
Wieso lernen wir nicht voneinander?
Wieso erlauben wir uns nicht Fehler zu machen, um besser und stärker denn je wieder aufstehen zu können? Wieso gestatten wir uns keine gegenseitige Unterstützung und fangen einander auf?
Wieso gehen wir nicht einen Teil des Weges gemeinsam, wenn es darauf ankommt?
Man geht allein, aber bewegt gemeinsam!
Eure Nina Schulmeister