Liebe Leser,
Liebe Kollegen,
sind wir müde geworden?
Schlendert man durch die Möbelmeilen – ganz gleich ob in Wien, auf der Salone del Mobile oder in Dubai – es herrscht gähnende Langeweile.
Die Messestände ändern sich, bis auf die Größe der „Minotti-Stadt“ von Jahr zu Jahr nicht, die darin enthaltenen Möbel ebenfalls nicht. Wenn die hochwertigsten internationalen Möbelmarken einen neu herausgebrachten Stoff als Weltneuheit in Szene setzen und sich selbst als innovativ ansehen da das Sofa nicht mehr ganz gerade verläuft, sondern eine leichte Rundung aufweist, stellt man sich die Frage: Ist dies alles, was wir noch hervorbringen können? Etwas Glitzer im Garn und eine kleine Änderung der Formensprache?
Auf mein Kopfschütteln samt hochgezogener Augenbraue höre ich stets nur „Was verlangst du denn?
Es wurde doch schon alles erfunden!“
Ist dies tatsächlich so?
Wurde schon alles erfunden, oder geben wir uns schlicht nur mehr mit dem geringsten Maß an Aufwand zufrieden?
Auf den nationalen Möbelmessen ist selbiges Schaubild erkennbar – die aufwändig inszenierten Messestände, in denen die Liebe und die Passion zur Arbeit, zu unserer Berufung erkennbar waren, sind in den letzten Jahren im Erdboden versunken. Es werden in Windeseile ein paar Wände, oft auch nur mehr Vorhänge als Wandersatz hochgezogen, Möbel ohne Montageaufwand lieblos platziert und anstatt einer guten leiblichen Verköstigung der Kunden und Mitarbeiter, gibt es gebrandete Schokolade, die von einem Hersteller zur Verfügung gestellt wurde. Schon Stunden vor dem Schließen der Türen am letzten Messetag wird mit dem Zusammenpacken begonnen. Leider startet das Raunzen ebenso geschwind, denn die Geschäfte seien früher viel schneller und einfacher abgeschlossen worden.
Als ich vor 25 Jahren durch Messehallen ging, sah ich Hallen die voll von Ausstellern und Kunden waren. Ich erlebte, dass kein Stand dem anderen glich. Tagelang wurde unter vollstem Einsatz aufgebaut. Man wollte zeigen, wer man ist, was man kann und fand auch seinen Spaß daran sich mit anderen Firmen und Partnern freundschaftlich zu messen. Abends saß man mit Kollegen zusammen, kochte, feierte gute Geschäfte und hatte schlicht Freude an der Arbeit und am Miteinander.
Viel ist hiervon nicht übriggeblieben.
Sind wir müde, oder einfach nur träge geworden?
Wir beschweren uns über fehlende und entscheidungsschwache Kunden und sind selbst nicht mehr dazu bereit Mühe und Zeit in unsere Möbel und Dienstleistungen zu investieren, beziehungsweise den Kunden Gründe zu geben, sodass jene rasch (Kauf-)Entscheidungen treffen können.
Dass es auch anders gehen kann, dass wir doch noch nicht komplett eingerostet sind, hat Johannes Artmayr im letzten Jahr bewiesen. Eine weltweite Produktneuheit ins Leben zu rufen, ein großes sehr persönliches Fest in den eigenen heiligen Hallen zu veranstalten und gleichzeitig einen hochengagierten Mitarbeiter nach dem anderen zu haben sucht in unserem Land seines gleichen. Aber er beweist, dass es geht.
Dass noch nicht alles erfunden wurde.
Dass sich Mühe und Hingabe noch lohnen.
Und dass sie ansteckend sind.
Denn bringt einer den Virus der Leidenschaft, der Hingabe und der Passion in Gang, dann verbreitet er sich.
Unter Mitarbeitern. Unter Kollegen.
Unter Kunden.
Lasst uns die Fackel der Leidenschaft wiedererwecken!
Zeigen wir endlich wieder, was wir können, welch unfassbar gutes Handwerk Österreich ihr Eigen nennen darf. Lasst uns die Köpfe zusammenstecken und auch gegenseitig ein wenig in den Hintern treten.
Wir können das.
Wir können großartig sein.
Wir können die Wirtschaft ankurbeln und Kunden ansprechen.
Und diese auch Aufträge unterschreiben lassen.
(Jegliche Ausrede, dass die Bauwirtschaft am Boden liegt ist vergebens – statt zu kaufen, wird gemietet. Die Zeit der Ausreden ist vorbei)
Mühe ist ihr Geld wert – denn sie wird gesehen und anerkannt. Sie bringt Erfolg und damit Kapital.
Der Winterschlaf ist vorüber. Heißen wir den neuen Sommer Willkommen!
Eure Nina Schulmeister